Ersthelfer retten Familie über Bulli-Dach aus brennendem Haus in Papenburg
In Papenburg ist am frühen Montagmorgen ein Wohn- und Geschäftshaus am Grader Weg in Brand geraten. Eine fünfköpfige Familie, unter ihnen ein zwei Monate alter Säugling, konnten im letzten Moment dank des Eingreifens engagierter Ersthelfer aus dem Gebäude gerettet werden. Zu den Helfern gehörte auch Hund Balou.
Dramatische Szenen spielten sich um kurz nach 6 Uhr am Grader Weg in Papenburg ab. Innerhalb weniger Minuten muss das Wohn- und Geschäftshaus, in dessen Ladenlokal eine Änderungsschneiderei betrieben wird, in voller Ausdehnung gebrannt haben.
"Alles ging rasend schnell", berichtet Focko Peters, der im Haus gleich gegenüber wohnt. Sein Hund Balou, ein Mischling, hatte mehrfach gebellt und dadurch ihn und seine Verlobte Ines Kowalczyk auf das brennende Haus gegenüber aufmerksam gemacht. Der 41-Jährige zog das Nötigste an, schlüpfte ohne Socken in seine Schuhe und eilte nach Draußen. Dort sah er, wie im Obergeschoss die Nachbarn, ein Ehepaar, mit einem Säugling auf dem Arm am Fenster standen und nach Hilfe riefen. "Dichter schwarzer Rauch drang aus dem Haus, aus dem Ladenlokal kamen Flammen, die bereits die Dachrinne erreicht hatten", erklärt der Papenburger.
Ein 34-jähriger Radfahrer, der zufällig am Haus vorbei gekommen war, hatte bereits versucht, in das Haus zu gelangen und die Anwohner aus dem Obergeschoss zu retten. Das misslang, er musste wieder zurück auf die Straße, weil der Rauch bereits zu dicht war und den Weg durchs Treppenhaus versperrte. Der Ersthelfer klingelte an den beiden angrenzenden Häusern, um die Bewohner zu warnen.
Nachbar Focko Peters wiederum eilte zu seinem Nachbarn nebenan, Marvin Griep. Der war ebenfalls bereits auf das Feuer auf der gegenüberliegenden Seite aufmerksam geworden. Griep besitzt einen VW Bulli. Er startete das Fahrzeug und fuhr es bis vor das brennende Haus. Focko Peters und Mario Griep kletterten auf das Dach des Bullis, von dort auf das Vordach und retteten so das Ehepaar samt Säugling aus dem Obergeschoss - gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellte. "Nur wenige Augenblicke später zerplatzten die Fenster im Erdgeschoss und ein riesiger Feuerball schoss heraus", berichtet Focko Peters. Eine sogenannte Durchzündung von Rauchgas.
"Wenn die Ersthelfer nicht gewesen wären, hätten wir vermutlich schwerstverletzte oder sogar tote Personen aus dem Haus bergen müssen. Das hätte heute hier sehr viel schlimmer enden können", sagte Stadtbrandmeister Josef Pieper, der den Nachbarn, dem Radfahrer und natürlich Hund Balou ein großes Lob aussprach. "Ich denke, alle haben eine Dankesmedaille verdient", sagte Piepers. Allen Ersthelfern, zu denen auch zwei Polizisten gehörten, die noch vor der Feuerwehr am Einsatzort waren, bescheinigte Pieper ein "umsichtiges Handeln".
Der Mieter des Hauses und Vater des Säuglings, ein 40-Jähriger, erlitt genauso wie seine 35 Jahre alte Frau nur leichte Verletzungen, weil sie Rauch eingeatmet hatten. Das gilt auch für den zwei Monate alten Säugling und die beiden weiteren Kinder, ein zehn Jahre alter Junge und ein sieben Jahre altes Mädchen. Die beiden älteren Kinder hatten im Erdgeschoss des Gebäudes, rechts neben dem Ladenlokal, ihre Zimmer und wurden vermutlich durch das Klingeln des Radfahrers auf den Brand aufmerksam. Sie konnten jedenfalls das Haus aus eigener Kraft verlassen.
Der Vater erlitt zwar noch leichtere Brandverletzungen, weil er versucht hatte, durchs Treppenhaus zu gelangen, diese stellten sich aber nicht als schwerwiegend heraus, berichtete Stadtbrandmeister Pieper. Alle fünf Familienmitglieder kamen zur Beobachtung ins Papenburger Krankenhaus. Der 35 Jahre alte Radfahrer, der kurzzeitig das brennende Gebäude betreten hatte, erlitt ebenfalls eine leichte Rauchgasvergiftung, konnte aber nach einer Untersuchung das Krankenhaus wieder verlassen. Nicht mehr im Haus waren etwa zwölf Monteure, die im links angrenzenden Gebäudetrakt leben.
Alle drei Feuerwehren der Stadt Papenburg, Obenende, Untenende und Aschendorf, waren mit etwa 60 Kräften und acht Fahrzeugen im Einsatz. Sie gingen mit Atemschutz und über die Drehleiter gegen den Brand vor. Außerdem wurden sämtliche Räume des Hauses noch einmal durchsucht, um sicherzustellen, dass sich keine Personen mehr im Gebäude befinden. Das war nicht der Fall.
Nach etwa einer Stunde war das Feuer gelöscht, die Nachlöscharbeiten zogen sich aber bis nach 10 Uhr hin. "Wir müssen sämtliche Zwischendecken öffnen", berichtete Stadtbrandmeister Pieper. Mehrere Anwohner unterstützten die Einsatzkräfte, zu denen auch der Malteser Hilfsdienst gehörte, mit Kaffee und anderen Heißgetränken.
Der Grader Weg musste für die Lösch- und Aufräumarbeiten zwischen Dieckhausstraße und Am Vosseberg bis etwa 11 Uhr voll gesperrt werden. Zu größeren Verkehrsbehinderungen kam es aber nicht. Was genau zu dem Feuer geführt hat und wie hoch der Schaden ist, ist im Moment noch unklar. Das Gebäude ist derzeit unbewohnbar. Entstanden sein muss das Feuer im Bereich der Schneiderei, heißt es in einer ersten Einschätzung von Brandsachverständigen der Polizei.
Innerhalb weniger Stunden haben sich am Montagvormittag im sozialen Netzwerk Facebook engagierte Papenburger organisiert, um Sachspenden für die Familie zu sammeln. "Die Familie hat nix mehr", heißt es in einer Nachricht in der Gruppe "Papenburg, gestern und heute", die mehr als 12.000 Mitglieder hat. Gebraucht werde zum Beispiel Kleidung für die Kinder (Mädchen-Größe 62/68 und 134, Jungen-Größe 140, Erwachsenen-Kleidung S und M), Bettwäsche, Handtücher, Spielzeug und so weiter, heißt es. Eine Sammelstelle wurde im Imbiss Meyers Tannen, Meyers Tannen 59, eingerichtet.